Senja pa langs Tag 1 – Sonne, Hitze und ein zugefrorener See:
Der Plan ist, heute schon mal ein paar Höhenmeter zu machen, das Zelt aufzustellen und dann den höchsten Berg Senjas, den Breitinden zu erklimmen. Die ersten Meter sind steil und steinig, aber nach Norden hin hat man fantastische Aussicht auf den Mefjorden. Das Meer ist kristallklar und die Berge fallen fast senkrecht zum Ufer ab. Es erinnert mich wirklich an die Lofoten, wo ich drei Jahre zuvor gewandert bin.
Nach den ersten 200 Höhenmetern erreichen wir den Svartholvatnet, an dem einige Häuser stehen. Wir verlieren den Weg und irren einige Zeit umher, bis wir den Weg wiederfinden. Das Problem ist, der Zuweg ist auf der Karte nicht eingezeichnet. Dennoch finden wir unseren Weg. Mittlerweile ist uns einfach nur noch heiß. Der Schweiß läuft uns den Körper hinab und der Mund ist, trotz Trinken trocken. Am Breitindvatnet angekommen lache ich erstmal laut auf. Er ist zugefroren. Der Kontrast könnter extremer nicht sein. Über 30 Grad Hitze und ein zugefrorener See. Am unteren Ende, wo der See seinen Abfluss hat, ist das Eis getaut, einige Eisschollen treiben darauf und das Wasser lacht uns an. Wir schütten unser mittlerweile warmes Wasser aus den Flaschen aus und füllen mit eiskaltem Wasser nach. Herrlich!
Wir stellen unser Zelt auf. Den Ausgang in Richtung Meer. Der Zeltplatz ist göttlich. Nicht sehr windgeschützt, aber was für eine Aussicht! Wir vertreiben uns die Zeit und brechen abends auf, Richtung Breitinden. Wir wollen von dort oben die Mitternachtssonne beobachten. Der Weg endet schnell und wir müssen uns durch mannshohe Felsen kämpfen. Mir geht durch den Kopf, dass wir das morgen mit unseren großen Rucksäcken machen wollen, und mir kommen erste Zweifel. Schließlich sind wir auf einer Anhöhe, wo es links Richtung Gipfel und geradeaus weiter auf unserem Hauptweg geht. Ich schaue einmal über die Kuppe und sehe – Eis. Der Weg, den wir für den nächsten morgen geplant haben, fällt sehr sehr steil ab und ist komplett vereist. Ich schlucke. Das wird hart. Aber erstmal steigen wir zum Gipfel auf. Zunächst hat man wieder mehr oder weniger einen Weg, aber auch das endet bald und wir erreichen Kletterpassagen. Für mich ein Spaß, für meine eher unerfahrene Freundin, eine echte Mutprobe. Es wird immer schwieriger und so entscheiden wir irgendwann umzukehren. Ich steige noch etwa 50 Meter weiter auf und muss lachen. Die Norweger! Es wird tatsächlich noch steiler! Gut das muss nicht sein, und so gehen wir wieder herunter, zurück über das riesige Geröllfeld zum Zelt. Auch von dort können wir die Mitternachtssonne sehen. Es ist mittlerweile mitten in der Nacht, was aufgrund des Lichts nicht auffällt. Müde fallen wir in die Schlafsäcke.
Senja pa langs Tag 2 – Planänderung, Pause und Planschen:
Nachdem wir eine Nacht darüber geschlafen haben, entscheiden wir, das Risiko nicht einzugehen und nicht den steilen Eishang, des Zuweges zu Senja pa langs, runterzukraxeln. Wir haben uns verschiedene Methoden überlegt, unter anderem die Rucksäcke vorzuschicken, aber das haben wir alles verworfen. Ich studiere die Karte und suche nach Alternativen. Ich steige noch einmal Richtung Svartholvatnet ab, aber auch da sehe ich keine Möglichkeit dran vorbeizukommen, die Ufer sind zu steil. Senja zeigt uns schon jetzt seine Überlegenheit. Also entscheiden wir uns einen Tag Pause zu machen und am nächsten Tag einen großen Umweg über Straßen zu machen. Das bedeutet zwar 40 km Asphalt, aber besser als nicht weiterzumachen. Wir würden Senja pa langs dann in zwei Tagen erreichen. Wir genießen den Tag, sonnen uns, ich nehme ein (kurzes) Bad im Eiswasser. Wir treffen einige Wanderer, die den Breitinden erklimmen, allesamt Norweger. Abends ziehen Wolken auf, bald schon sind wir komplett eingehüllt in einer dichten Wolkendecke. Sehr eindrucksvoll, aber auch ungemütlich. Wir ziehen uns ins Zelt zurück und gehen schlafen.
Senja pa langs Tag 3 – Tunnel, Straße und Dickicht:
Die Wolken sind noch nicht verzogen. Wir brechen das Lager ab und machen uns wieder an den Abstieg. Es ist frustrierend den selben Weg wieder zurückzugehen, aber so ist das nun mal. Sicherheit geht vor! Unten an der Straße versuchen wir kurz zu trampen, aber es nimmt uns niemand mit. Also gehen wir los in Richtung Senja pa langs. Direkt zu Beginn müssen wir zwei Tunnel durchqueren. Dann geht es entlang der Küste weiter. Wir machen zwischendurch mal Pause an einem See. Das Wetter ist grau, aber immerhin regnet es nicht. Wir gehen weiter und irgendwann nimmt uns ein netter Norweger mal ein Stückchen mit. Am frühen Abend schließlich erreichen wir Lysnes und biegen ab Richtung Sjövatnet. Die Straße zum See endet irgendwann und wir schlagen uns einfach bergab Richtung See. Dort angekommen schlagen wir unser Nachtlager auf. Morgen werden wir endlich Senja pa langs erreichen.
Senja pa langs Tag 4 – Weiter Richtung Heggdalen:
Es geht weiter! Wir laufen noch ein paar Kilometer Schotterstraße und erreichen schließlich den offiziellen Beginn von Senja pa langs! Jetzt geht’s endlich richtig los! Wir haben den Plan noch ein paar Kilometer zu wandern und dann im Heggdalen in der Hütte des Jagdvereins zu übernachten. Der Weg beginnt mit einer Brücke, einem Luxus, den man ab jetzt auf Senja pa langs nicht mehr haben wird. Schon wenige Meter später kommt die erste Furt. Allerdings kein Problem für uns. Es geht weiter durch ein Birkenwäldchen über eine kleine Ebene bis zum Heggvatnet. Am Heggvatnet treffen wir auf eine Gruppe Norweger, die allesamt zelten und angeln. Wieder einmal wünsche ich mir, dass es in Deutschland auch diese Möglichkeiten gäbe, aber man kann nicht alles haben. Während die Frauen mit Feuermachen beschäftigt sind, stehen die Männer hüfttief im Wasser und fangen das Abendessen. Ein paar Meter weiter treffen wir auf zwei Franzosen, die auch auf Senja pa langs unterwegs sind und uns Glück für das WM-Finale wünschen. Wir nehmen noch ein erfrischendes Bad im See, das Wetter hat mittlerweile wieder alle Register gezogen und rockt mit Sonne und wolkenlosem Himmel. Weiter geht es durch sumpfiges Gelände und irgendwann erreichen wir die Hütte. Unsere Schuhe, Socken und Füße sind nass und das sollte sich bis zum letzten Tag nicht mehr ändern. Die Hütte ist wirklich nett. Klein aber fein. Einige Stockbetten, Tisch und Stühle, Ofen, Kochzubehör. Alles was man braucht. Das Dach ist nagelneu. Und das Beste: alles umsonst! Wir holen Wasser am nahegelegenen Bach und studieren das Hüttenbuch. Wir lesen, dass vor kurzem zwei Wanderer hier bereits abgebrochen haben, weil sie die nächste Furt nicht geschafft haben. Das macht Mut! Abends schlafen wir begleitet vom Summen der Mücken ein. So endet unser erster offizieller Tag auf Senja pa langs.
Senja pa langs Tag 5 – Summen, Brummen, Plätschern:
Heute begrüßt uns Senja pa langs mit moorigem Gelände, die angekündigte Furt ist aber kein Problem für uns. Auf dem Weg zur Heggtuva entdecken wir eine Elchspur. Diese Spur sehen wir ab jetzt jeden Tag und wir kommen zu dem Schluss, dass der Elch ebenfalls Senja pa langs gewandert ist. Die Etappe ist landschaftlich absolut beeindruckend. Wir gehen, von schneebedeckten Bergen flankiert, durch das Heggdalen. Überall fließt Wasser, es ist wunderschön.Wenn da nicht diese fiesen Stechfliegen wären. Ich habe nicht so das Problem mit ihnen, aber meine Freundin sieht immer aus wie ein Imker. Immer wenn sie zu mir aufschließt begleitet sie ein Brummen und Summen. Die Viecher stechen nur selten, aber wenn, dann richtig. Aber auch das gehört zum Naturerlebnis dazu. Zunächst ist der Weg Senja pa langs gut markiert, aber irgendwann hören die Markierungen einfach auf. Unglücklicherweise hört im selben Moment auch der Weg auf. Wir kämpfen uns durch übermannshohes Gebüsch und das einige Zeit lang. Das macht eher wenig Spaß, aber da muss man durch. Nachdem wir das Gestrüpp hinter uns haben, bin ich mir sicher, dass es hier oben auf Senja keine Zecken gibt. Waren wir auf dem Tjustleden im Vorjahr nach jedem Kontakt mit Gewächsen übersät von Zecken, sehe ich auf Senja nicht eine einzige. Was für eine Wohltat. Senja pa langs ist wieder markiert, sobald der Weg wieder vorhanden ist. Der Wegverlauf scheint allerdings neu zu sein. Wir steigen einen Berg empor, der sicher eine schöne Aussicht geboten hätte, wäre er nicht in dichten Nebel gehüllt. Nichtsdestotrotz ein interessanter Anblick. Der Abstieg Richtung Tromdalen ist grandios. Überall Flüsse, Wasserfälle, bizarre Eisformationen und Schneefelder. Aus einem großen Schneefeld kommt Wasser geflossen, es dampft. Irgendwo im Tromdalen stellen wir unser Zelt auf. Wir verbringen den Rest des Tages am Fluss, kühlen unsere Füße und genießen unsere Freiheit. Auch hier ist das Wasser glasklar und schmeckt reiner als rein. Einen Filter haben wir gar nicht erst mitgenommen. Schon jetzt wird uns klar, Senja pa langs ist eine Tour der Extraklasse!
Senja pa langs Tag 6 – Höhenflug, Schnee und eine unerwartete Begegnung:
Am nächsten Tag machen wir uns durch das Tromdalen auf den Weg Richtung Leirdalen. Vor uns liegt ein knackiger Tag auf Senja pa langs. Es ist heiß, heißer als heiß. Die Sonne brüllt vom Himmel. Wir sind natürlich froh, dass wir so gutes Wetter haben, aber es ist schon verdammt warm. Wir kommen dennoch gut voran, das Leirdalen ist hübsch, viel Wasser, Steine und Schnee. Vorbei am zugefrorenen Leirdalsvatnet geht es Richtung Bumannsvatnet. Hier überqueren wir die Straße und machen uns an den sehr steilen Anstieg zum Pass am Istind. Senja pa langs ist eindeutig nichts für Anfänger und schwache Gemüter. Der Anstieg ist anstrengend und wir müssen etliche große Schneefelder erklimmen. Schritt für Schritt ramme ich meine Füße in den Schnee, meine Freundin tritt in meine Abdrücke. Rechts geht es steil hinunter, abrutschen wäre nicht so schön. Aber wir steigen sicher hinauf.
Oben angekommen erreichen wir die Grenze zum Anderdalen Nationalpark, einem Highlight von Senja pa langs. Ein kleines Schild markiert den Beginn des Parks. Die Aussicht vom Pass in den Park ist fantastisch. Wir machen eine Pause und genießen das Leben. Hier oben weht sogar ein kleiner Wind, herrlich! Danach machen wir uns an den Abstieg. Wir wollen heute den Kapervatnet erreichen und dort übernachten. Irgendwann entdecke ich in einiger Entfernung eine Herde Rentiere im Schnee. Als wir weiter absteigen sehe ich auch überall im Schnee ihre Spuren. Die Rentiere sind neugierig und kommen näher, irgendwann sind sie uns ganz nah. Wir gehen vorsichtig weiter um sie nicht zu stören, ein tolles Erlebnis! Es ist so heiß, dass wir uns immer wieder Schnee unter die Kappe packen. So bewahrt man in Norwegen einen kühlen Kopf! Die Landschaft ist fantastisch, man sieht immer wieder das Meer, die gezackten Berge, läuft über endlose weiße Weiten und sieht weit unten im Tal den großen Andervatnet. Irgendwann wird der Schnee weniger und wir erreichen wieder die felsige, wasserreiche Landschaft. Wir entdecken einen großen Felsen, der etwas Schatten spendet und genießen eine Pause abseits der prallen Sonne. Irgendwann erreichen wir müde den Kapervatnet, bauen das Zelt auf, Essen zu Abend und gehen schlafen.
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Senja pa langs – Auf die harte Tour: Hintergrund und Anreise
Senja pa langs – Auf die harte Tour: Tage 7-14
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